Suche
Suche Menü

Fortsetzung der Milchreise…

Waldheim im Oberbayern: Wir sind auf der Mitgliederversammlung des BDM Oberbayern. 100 Milchbäuerinnen und -bauern sind gekommen, um sich über die Auswirkungen der EU-Milchpulverexporte nach Burkina Faso zu informieren. Es ist beeindruckend.

Ein Besuch bei Familie Westenrieder (v.r.n.l.) Michael Schelle (BDM), Brigitte Honold (Unser Land), Dorothee König (Dolmetscherin), Mariam Diallo (MISEREOR-Partnerin aus Burkina Faso), Josef Westenrieder (Besitzer der Hofmolkerei) und Kerstin Lanje (MISEREOR). Foto: B. Honold

Die Milchbauern haben selber eine schwierige Zeit hinter sich. In Bayern mussten 2000 Milchviehbetriebe aufgeben – davon viele auf Grund der niedrigen Milchpreise im letzten Jahr. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM) hat für die Existenz seiner Mitglieder gekämpft. Der Rückblick ist voller Termine: Gespräche mit Agrarminister Schmidt, eine Demonstration anlässlich der Agrarministerkonferenz im Herbst 2015, eine Aktion mit hunderten leeren Gummistiefeln für jeden gefährdeten Betrieb anlässlich des Milchgipfels im Mai 2016 in Berlin.

Der BDM und auf europäischer Ebene das European Milk Board (EMB) haben sich vehement für eine Mengenregulierung eingesetzt. Kein Politiker wollte dem zustimmen. Nach zähem Ringen wurden die EU-Hilfszahlungen dann doch an einen Mengenverzicht gekoppelt und mittlerweile muss selbst Agrarkommissar Phil Hogan attestieren, dass es funktioniert hat. Über 850.000 Tonnen Rohmilch wurden in der EU weniger abgeliefert. Diese Menge reichte, um den Milchpreis wieder zu stabilisieren. Deutlich wurde aber auch, dass Bauern diese Entscheidungen nicht für sich alleine treffen können. Es ist ein gemeinsamer Markt und die Mengenregulierung muss zentral vorgegeben werden, also von der EU. Vor diesem Hintergrund berichtet Mariam Diallo aus Burkina Faso von ihren Erfahrungen.

Mariam Diallo ist eine der Pionierinnen der Minimolkereien in Burkina Faso und betreibt bereits seit über 15 Jahren eine kleine Molkerei, in der Milch und Joghurt hergestellt werden. Es ist eine andere Welt: Anstelle von Hochleistungskühen, die Kraftfutter bekommen und mittlerweile im Durchschnitt über 7000 Liter jährlich geben, sind die Kühe in Burkina Faso Teil der Familie, sind freilaufend und geben oft nur 2 bis 3 Liter Milch.

MISEREOR-Partnerin Mariam Diallo besuchte Milcherzeugerbetriebe in Deutschland im Rahmen der MISEREOR-Fastenaktion. Foto: B. Honold

Mariam erzählt, wie das Leben war, bevor es die Molkereien gab: Die Frauen haben die Milch in Kalebassen an der Straße verkauft oder sind damit von Haus zu Haus gegangen. Mittlerweile werden Goudali aus Nigeria für die Züchtung genommen, Kuhbohnen und Gräser als Futtermittel angebaut und die Milch kann innerhalb kurzer Distanzen zur Minimolkerei gebracht werden.

Bericht von einer Reise nach Burkina Faso

Es herrscht Stille im Saal, alle hören konzentriert zu. Auch als Johannes Pfaller, Landwirt aus der Region, von seiner Reise nach Burkina Faso erzählt. Es ist spannend zu hören, wie er Land und Milchwirtschaft als Milchbauer wahrgenommen hat. Er beobachtet die Situation als Berufskollege und stellt viele Gemeinsamkeiten fest: ob es um Vermarktung, Futtermittel, Viehgesundheit oder ländliche Infrastruktur geht. Johannes schafft es, die Situation in Burkina Faso immer wieder zurückzuführen auf das, was in Europa passiert.  Er erläutert den Wegfall der Milchquote, die zu der steigenden Menge geführt hat.

Milchpulver-Importe bedrohen die Einkommen der Frauen

Zuvor hat Mariam Diallo deutlich gesagt, was der Import von Milchpulver für sie bedeutet: Milch aus importiertem Milchpulver kostet nur ein Drittel bis halb so viel wie die lokale Milch. Die Milchproduktion ist fest in Frauenhand und die einzige Einnahmequelle für sie, die zum halbnomadisch lebenden Volk der Peulh gehören, das im ganzen Sahel-Gebiet lebt.

Johannes Pfaller und Mariam Diallo sind sich einig: es muss eine politische Lösung gefunden werden, die allen Milchbauern, ob in Europa oder in Westafrika, ein faires Einkommen sichert. Lokale Märkte sollten geschützt und keine Billigmilch aus Europa exportiert werden.

Am nächsten Tag:  Wir besuchen Familie Friesinger, die einen kleinen Hof mit 25 Kühen am Starnberger See hat und Feriengäste beherbergt. Es ist wunderschön, fast romantisch, mit freilaufenden Hühnern und kleinen Kälbern, die einen mit großen Augen neugierig anschauen. Aber so bleibt es nicht: aus Norddeutschland meldet sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – der niedersächsische Landvolkverband behauptet in der Osnabrücker Zeitung, dass Milchexporte gut für Afrika seien. Mariam Diallo ist ganz anderer Meinung und sagt dieses auch deutlich in einer Mitteilung für die Presse. Wir sind gespannt, ob sie aufgegriffen wird.

Ermutigend ist, dass die Krise anscheinend auch Kreativität freisetzt. Wir besuchen Familie Westenrieder, die eine kleine Joghurtproduktion aufgebaut haben und ihre Produkte über „Unser Land“ regional vermarktet. Wir kosten den Joghurt und Mariam Diallo ist sehr begeistert, die Qualität ist sehr gut und er schmeckt wirklich lecker.

Zurück auf dem Weg nach Aachen treffe ich mich mit meiner Kollegin Eva Maria Heerde-Hinojosa. Sie hat einen Brief des bayrischen Bauernverbandes erhalten, der MISEREOR vorwirft, falsche Zahlen zu verwenden. Aber mittlerweile ist klar, dass die Situation des Milchmarktes in Burkina Faso noch viel bedenklicher ist, als wir zu Beginn der Recherchen geahnt haben: 80 bis 90 % der gesamten konsumierten Menge in Burkina Faso stammt aus Importen, nur 10 bis 20 % wird lokal erzeugt. Bisher waren wir immer von 20 % der vermarkteten Menge ausgegangen. Dass die Eigenversorgung so niedrig ist, erhöht die Bedeutung der Milchpulverimporte für die lokalen Produzenten immens – gleichzeitig verdeutlicht diese Zahl aber auch das große Potential für eine eigene Milchwirtschaft in einem Land, in dem zehn Millionen Kühe leben.
 

Ein gemeinsamer Dialog darüber ist nötig, wie das gute Leben für alle weltweit zu organisieren ist. Ganz im Sinne von Papst Franziskus: die Sorge um das gemeinsame Haus in gemeinsamer, aber differenzierter Verantwortung.


Weitere Beiträge zum Thema Milch

EU-Agrarhandel in Westafrika: Wie können Kleinbauern überleben

Deutsche und afrikanische Milchbauern: „Du bist kein Milchbauer, du bist Milchpulververkäufer“

Milch reist nicht gern – Milchbauern aus Burkina Faso schon – ein Interview

Milch reist nicht gern, Milchbauern aus Burkina Faso schon – unterwegs im Allgäu und in der Eifel

Geschrieben von:

Avatar-Foto

Kerstin Lanje arbeitete als Expertin für Welthandel und Ernährung bei MISEREOR.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.