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Sichere Heimkehr in den Norden des Irak?

Warum kehren manche Flüchtlinge schnell in ihre Heimat zurück – und andere nicht? Eindrücke aus dem Norden des Irak von MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. Teil 3 des aktuellen Irak-Blogs.

Welch ein Unterschied in dem jesidischen Städtchen Sinouni am Fuße der Sindschar-Berge heute gegenüber dem Eindruck bei meinem Besuch hier im Januar 2015! Damals war der IS Tage zuvor aus der Stadt vertrieben worden. Er hatte eine unglaubliche Zerstörung hinterlassen. Sinouni war zu diesem Zeitpunkt, bis auf kurdische Soldaten, menschenleer. Die Häuser in Trümmern, die Geschäfte geplündert und Sprengfallen drohten überall.

In Sinouni ist das Leben zurück…

Nun sehe ich eine Stadt, die zurück im Leben ist. Ich sehe geschäftige Menschen und offene Läden. Von den damaligen Ruinen sind kaum noch welche zu sehen. Ich freue mich über dieses Bild. Denn auch wir von MISEREOR haben mit Hilfen für die zerstörte Klinik dazu beigetragen, dass die soziale Grundversorgung wiederhergestellt werden konnte. Die Vertriebenen sind also zurückgekommen. Sie haben das elende Lagerleben hinter sich lassen können und wollen. Ein entscheidender Grund für diesen Rückkehrwillen war und  ist: Sicherheit.

2015 waren die Terrortruppen des  IS hier noch sehr nah. Mittlerweile wurden sie immer weiter zurückgedrängt.  Und die kurdischen Peshmerga haben in Verbindung mit den eigenen Milizen der Jesiden die öffentliche Ordnung wieder hergestellt. Übergriffe hatten die zurückkehrenden Flüchtlinge hier nicht zu befürchten.

…nicht aber in Sindschar

Auf der Weiterfahrt sehe ich dann, dass die Lage auf dem Hochplateau des Gebirges ganz anders ist:  Hier leben immer noch rund 30.000 Vertriebene aus der nahen Stadt Sindschar. Diese Menschen konnten sich im August 2014 vor der Vernichtung durch den IS retten und waren monatelang eingekesselt. Und noch immer leben sie unter sehr schwierigen Bedingungen in Zelten. Dabei wurde auch hier der IS  bereits vor knapp zwei Jahren in heftigen Kämpfen wieder aus ihrer Stadt vertrieben. Aber welche Stadt ist da zurückgeblieben? Auf der Fahrt hinunter vom Berg blicke ich auf ein Ruinenfeld. Die Stadt ist immer noch zu 70- 80% zerstört. Auch das Krankenhaus liegt zu großen Teilen noch in Trümmern. Zumindest kann es jetzt mit MISEREOR-Hilfe wieder beginnen, Notfallmedizin zu leisten.

Flüchtlinglager im Norden des Irak

Noch immer leben viele Jesiden in Flüchtlingslagern.

Die meisten Vertriebenen haben sich trotz der Not des Flüchtlingsdaseins bislang nicht in ihre Stadt zurückgetraut. Das sind nicht nur die auf dem Berg. Auch weiter entfernt gibt es noch zwei weitere große Camps für Jesiden aus dem Sindschargebiet. In Sindschar fehlt etwas Entscheidendes: Sicherheit.

Angst vor Terror und Krieg ist zu groß

Die Frontlinie zu den vom IS kontrollierten Gebieten war bislang für die Menschen mit nur 20 km viel zu nah. Die Angst vor einer Rückkehr des Terrors ist viel zu groß. Erst jetzt, im August 2017, wurde die Nachbarstadt Tel Afar freigekämpft. Und die ganze Region ist, wie ich auf der Fahrt selbst feststellen kann, immer noch militärisches Operationsgebiet. Vor wenigen Tagen wurde hier noch heftig gekämpft.

Nur wer dem Frieden traut…

Hinzu kommt, dass es zu viele Spannungen zwischen den verschiedenen hier operierenden kurdischen Milizen gibt. Die nahe irakische Armee wird in dieser Zone durch schiitische Milizen gebildet. Und die Stadt zählt zu den zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung umstrittenen Gebieten. Viele trauen also dem  Frieden (noch) nicht – was nach den traumatischen Gewalterlebnissen der Jesiden nur zu verständlich ist.

…kehrt zurück

Aber auch bei anderen Minderheiten, wie etwa den vertriebenen Christen, höre ich eine Antwort immer wieder und ganz oft: „Sicherheit für meine Familie und mich“, die zuallererst nötig ist für die Rückkehr. Und dies gilt weltweit: Flüchtlinge kehren dann freiwillig zurück, wenn sie die Aussicht auf sichere Lebensbedingungen haben. Sie brauchen den Schutz vor Übergriffen – und das Vertrauen in diejenigen, die dieses alles garantieren.


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Dr. Martin Bröckelmann-Simon war Geschäftsführer für Internationale Zusammenarbeit bei Misereor.

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