Ende September hat das Human Rights Law Centre (HRLC) in Melbourne im Namen von über 150 Betroffenen bei der australischen Regierung Beschwerde gegen den Bergbau-Multi Rio Tinto eingereicht. In den 1970er und 1980er Jahren hatte das Unternehmen auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Pazifikinsel Bougainville die Kupfer- und Goldmine in Panguna betrieben. In dieser Zeit kam es zu einer Umweltkatastrophe und schweren Menschenrechtsverletzungen durch den Betreiber. Die Menschen vor Ort leiden noch heute unter den Folgen des Minenbetriebs.
Rio Tintos gefährliche Hinterlassenschaften
Riesige Flächen sind unter dem Minenabraum verschwunden. Früher waren sie landwirtschaftlich genutzt worden. Noch heute sprechen die Menschen vor Ort von der Wüste, die übriggeblieben ist. Das Wasser der Flüsse ist nach wie vor belastet. Die lokale Bevölkerung leidet unter vielfältigen Gesundheitsproblemen, die auf die umweltzerstörerische Hinterlassenschaft zurückzuführen sind. Die seinerzeit zwangsumgesiedelten Menschen leben in erbärmlichen Verhältnissen. An den Umweltzerstörungen hatte sich ein Gewaltkonflikt entzündet, der über 10 Jahre andauerte. So wurde die Mine im Jahr 1989 stillgelegt; eine geordnete Minenschließung hat es nie gegeben.
„Geschenk“ an die Autonomieregierung
Rio Tinto war Mehrheitseigner der Firma Bougainville Copper Limited (BCL), die wiederum die Panguna-Mine betrieben hatte. Der Konzern machte große Profite mit der Mine auf Bougainville. Das Kupfererz wurde zu einem großen Teil nach Hamburg zur Norddeutschen Affinerie (heute Aurubis AG) zur Weiterverarbeitung verschifft. Im Juni 2016 verschenkte Rio Tinto seine BCL-Anteile. Mit der „Schenkung“ bedachte der Multi die Zentralregierung von Papua-Neuguinea und die Autonomieregierung Bougainvilles (Autonomous Bougainville Government.) Daraufhin behauptete Rio Tinto, man trage für die Hinterlassenschaften der Mine keine Verantwortung mehr. Die Öffentlichkeit und Autonomieregierung in Bougainville reagierten mit heftigen Protesten: Rio Tinto wolle sich aus dem Staub machen und das sei inakzeptabel.
„Wir weinen um unser Land“
Die katholische Kirche teilte die Kritik. Bernard Unabali, inzwischen verstorbener Bischof der dortigen Diözese auf Bougainville, warb um Unterstützung. Daraufhin finanzierte MISEREOR das Panguna Listening Project der Diözese. Im Rahmen dieses Projektes wurden die Geschichten der Menschen im Minengebiet über ihre Lebenssituation gesammelt. Um den Betroffenen mehr Gehör zu verschaffen, veröffentlichte das Projekt eine Geschichtenauswahl in der Broschüre We are crying for our land. Das Human Rights Law Centre (HRLC) setzte die Recherchen fort. Als Ergebnis veröffentlichten das HRLC und die Diözese Bougainville gemeinsam mit Partnern aus dem Minengebiet im Mai 2020 eine weitere Aufklärungsbroschüre. After the Mine – Living with Rio Tinto’s Deadly Legacy befasst sich mit den gefährlichen Hinterlassenschaften der Panguna-Mine.
Beschwerde bei der OECD
Auf Basis dieser Recherchen und der in ihrem Verlauf geknüpften Verbindungen zu den Gemeinden im Minengebiet konnte HRLC mit der erwähnten Beschwerde einen nächsten Schritt gehen. In der Beschwerde wird argumentiert, dass sich Rio Tinto gravierender Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen schuldig gemacht habe. Sie beruft sich dabei auf die OECD Guidelines for Multinational Enterprises zu Wirtschaft und Menschenrechten. Die Beschwerde ist anhängig bei der nationalen OECD-Kontaktstelle, die im australischen Finanzministerium angesiedelt ist.
Theonila Roka Matbob: Stimme der Betroffenen
Am Tag der Beschwerdeeinreichung wurde Theonila Roka Matbob als Abgeordnete im gerade neu gewählten Parlament von Bougainville vereidigt. Sie vertritt den Wahlkreis, in dem die Panguna-Mine liegt. Und sie ist die einzige Frau, die in einem offenen Wahlkreis gewählt wurde (daneben gibt es im Parlament drei reservierte Sitze für Frauen). Theonila Roka Matbob spielte eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der Bevölkerung in den Gemeinden und beim Sammeln der Unterschriften für die Beschwerde. Sie fordert Rio Tinto auf, sich seiner Verantwortung zu stellen und sich an der Behebung der ökologischen Spätfolgen des Kupferabbaus zu beteiligen – sofern das überhaupt möglich ist. Ihre Wahl bestätigt, dass die Menschen im Minengebiet hinter ihr und ihrer Forderung stehen.
Der Rio Tinto-Konzern, der sich jahrelang geweigert hat, auch nur in Erwägung zu ziehen, Verantwortung für die Schäden zu übernehmen, hat nach Einreichung der Beschwerde erklärt, man sei sich bewusst, dass es gewisse Umwelt- und Menschenrechtsprobleme gebe, und man sei bereit, mit den betroffenen Gemeinden, dem ABG und der Regierung Papua-Neuguineas zu reden. Das ist immerhin ein erster Schritt. Es wird jedoch weiteren zivilgesellschaftlichen Druck – auf Bougainville und international – brauchen, damit den Worten auch Taten folgen.
Autor: Dr. Volker Böge ist Politikwissenschaftler und arbeitet für das von MISEREOR geförderte Peace & Conflict Studies Institute Australia (PaCSIA).