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“Wir brauchen den Wandel, weil unser Leben davon abhängt“

Lisakhanya Mathiso. Südafrika. Klimaaktivistin. Setzt sich für den Schutz des Klimas und echte Veränderungen ein, damit die Folgen des Klimawandels beherrschbar werden.

© privat

Das sind meine Wurzeln

Ich stamme aus Khayelitsha, dem größten inoffiziellen Viertel in Kapstadt, das dafür bekannt ist, viele verschiedene Probleme zu haben, die dringend gelöst werden müssten. In den Augen der meisten Menschen gehört der Klimawandel jedoch nicht dazu und man selbst erscheint deshalb als privilegiert, weil man sich damit auseinandersetzt. Deshalb wird man abgestempelt als „acting white“, weil man sich anders ausdrückt und für andere Dinge interessiert, als die meisten in deinem Umfeld. Diese Bezeichnung wird weltweit für schwarze und PoC-Menschen verwendet und hängt mit klischeehaften Vorstellungen zusammen. In Südafrika werden wir aufgrund der Apartheid – der staatlichen Segregation und Ungleichbehandlung der weißen und schwarzen Bevölkerung, die erst 1994 offiziell endete – immer noch in stereotype Kategorien gesteckt. Wenn wir etwas tun, das nicht zu dieser Vorstellung passt, werden wir verurteilt und lächerlich gemacht. Uns wird gesagt, wir würden versuchen, uns weiß zu verhalten. Die Apartheid ist vorbei, aber sie prägt unser Leben noch immer stark.

Es war also dieses Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin und in dem ich mich behaupten musste, das mir zeigte wie wichtig es ist, dass ich mich als Klimaaktivistin einsetze. Schon mit der Dürre von 2015 habe ich die Notwendigkeit für den Kampf gegen die Klimakrise und für mehr Klimaschutz erkannt. Die Dürre zwang uns dazu, mit einem Minimum von 20 Litern pro Tag und pro Person auszukommen. Zum Vergleich: Normalerweise beträgt der pro Kopf Wasserverbrauch in Südafrika pro Tag etwa 250 bis 300 Liter. Das war also eine enorme Umstellung. Damals habe ich zwei Dinge gelernt: Erstens, die Klimakrise verursacht diese Dürre und andere Naturkatastrophen. Zweitens, wir verursachen die Klimakrise mit unserer Lebensweise. Um das Klima zu schützen, müssen wir also lernen, anders zu leben. Denn wir spüren die Folgen des Klimawandels schon heute. Wir müssen die Klimakrise also aufhalten, damit die negativen Auswirkungen möglichst beherrschbar und gering bleiben.

Und gerade wir hier in den strukturschwachen Gebieten von Kapstadt sind da schon sehr gut, wenn man mal drüber nachdenkt. Denn wir sind es gewohnt, alte Materialien zu recyceln und wiederzuverwenden. Beispielsweise tragen wir die Kleidung unserer Großeltern, Eltern und Geschwister auf. Manche davon benutze ich bis heute.

Das verleiht mir Flügel

Ich bin gerne kreativ und dazu gehört für mich auch, ein echter Naturfan zu sein. Die Welt um dich herum bietet so viele Möglichkeiten, kreativ und nachhaltig zu sein, etwas zu gestalten. Du kannst alte Kleidung aufarbeiten und dadurch neu und schön machen oder Kunst aus alten Materialien wie Plastikflaschen oder verbrannten Glühbirnen herstellen. Es macht Spaß und motiviert mich, diese Ideen und Ansätze umzusetzen und an die nächste Generation weiterzugeben. Es ist toll zusehen, wie wir, die Jugend, gemeinsam gegen diese Krise ankämpfen und dadurch unsere eigene Zukunft retten und gestalten. Ich habe so viele Vorbilder, aber Billie Eilish möchte ich an diese Stelle hervorheben. Nicht nur weil sie tolle Musik macht, sondern auch weil sie jung ist, sich für das Klima einsetzt und etwas unternimmt.

Dafür setze ich mich ein

Ich setze mich für den Kampf gegen die Klima- und Umweltkrise ein, weil sie die Wurzel all unserer Krisen und Probleme ist, wie zum Beispiel die schlechte Versorgung mit Wasser und sanitären Einrichtungen, die Luftverschmutzung, schlechte Gesundheit und Wohlbefinden, ein Recht, das in unserer Verfassung verankert ist. In Südafrika spüren wir, dass Klimaungerechtigkeit mit sozialer Ungerechtigkeit verbunden ist. Wenn wir uns gemeinsam der Klimakrise entgegenstellen und uns für den Schutz des Klimas und unsere Umwelt einsetzen, dann werden wir auch andere Herausforderungen wie die schlechte Versorgung mit Trinkwasser oder genderspezifische Gewalt angehen. Nur so können wir gemeinsam an einer gerechten und gleichberechtigten Zukunft und Welt für alle arbeiten.

Es muss etwas passieren, weil …

… unser Leben und die Zukunft der Erde von dieser Veränderung abhängt. Nur wenn sich etwas verändert und wir die Folgen der Klimakrise aufhalten können, werden wir genauso lange und gut leben können, wie die ältere Generation, die zu einem großen Teil zur Klimakrise beigetragen hat.

Meine Arbeit ist getan, wenn …

… wir es schaffen, mehr erneuerbare Energie zu nutzen und klimaneutral zu sein. Denn dann können wir die Zukunft gerecht und aktiv gestalten.

Frauen können …

Frauen und Männer sind gleich. Nur unsere körperlichen Merkmale sollen uns unterscheiden.


Hintergrund

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Neben den Industrieländern sind in den letzten Jahren zunehmend auch Schwellenländer als Verursacher klimaschädlicher Kohlendioxidemissionen in den Blick geraten. Südafrika steht weltweit an zwölfter Stelle dieser Emissionen pro Kopf und leistet somit einen erheblichen Anteil an der Verschärfung der Klimaproblematik. Das Land produziert fast die gleiche Menge CO2 wie Großbritannien. 90 Prozent der elektrischen Energie werden aus der Verbrennung von Kohle gewonnen. Gleichzeitig erlebt Südafrika den Klimawandel selbst schon deutlich durch große Hitzewellen und Dürren, in gewissen Landesteilen aber auch durch Starkregenereignisse und Überschwemmungen. Es drohen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und somit auf die Wirtschaftskraft und Ernährungssouveränität.

Hier setzt der MISEREOR-Partner „project 90 by 2030“ an. Ziel der Organisation für soziale und ökologische Gerechtigkeit ist eine gerechte Energiewende, um einen positiven Beitrag zur Erreichung des 1,5 Grad-Limits zu leisten. Dafür braucht es echte Veränderung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und eine Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um 90 Prozent bis 2030. Die Anliegen von jungen Menschen und Menschen in strukturschwachen Gemeinden stehen dabei besonders im Fokus der Arbeit und werden für die Lobbyarbeit und Bewusstseinsbildung aufgegriffen. Engagierte Jugendliche wie Lisakhanya Mathiso werden darin unterstützt, sich als klimabewusste Aktivistinnen und Multiplikatoren für die Entwicklung ihrer Gemeinden einzusetzen und ihre Führungsqualitäten weiter auszubilden. Sie prägen und gestalten gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Das Jugendnetzwerk „African Climate Alliance“ ist aus der Jugendarbeit von „project 90 by 2030“ hervorgegangen. Auch Lisakhanya Mathiso besuchte Workshops des Projektpartners und gehört nun zum Alumninetzwerk der Organisation.


Sie sind Visionärinnen. Kämpferinnen. Trägerinnen von Entwicklung. Sie sind „Starke Frauen“. In unserer Reihe stellen wir sie und ihre Geschichten vor. ►Alle Interviews im Überblick

Sylvie Randrianarisoa aus Madagaskar

Geschrieben von:

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Corinna Würzberger ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Misereor.

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