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Ab in die Zukunft mit der deutschen Landwirtschaft!

Im Sommer 2021 hat die Zukunftskommission Landwirtschaft ihren Abschlussbericht an die Bundeskanzlerin überreicht. Die Kommission gibt darin Empfehlungen für eine Neuausrichtung der Landwirtschaft. Aber was genau steht drin im Bericht und was könnte er bewirken – oder auch nicht?

ökologische Landwirtschaft
„So kann es nicht weitergehen – weder ökonomisch noch ökologisch und sozial kann die deutsche Landwirtschaft fortgesetzt werden wie bisher.“ © Elias Morr / Unsplash

Letztes Jahr hatte Angela Merkel die Faxen dicke. Nachdem sich die Fronten in der deutschen Landwirtschaft zwischen Umwelt- und Tierschützer*innen, ökologischer Landwirtschaft, alternativen Bauernverbänden und dem Deutschen Bauernverband – der Standesvertretung schlechthin – weiter verhärtet hatten, sprach sie ein Machtwort und berief eine Kommission ein. Die Rahmenbedingungen: Alle an einem Tisch, unabhängige Moderation, die jeweiligen Spitzen der Verbände – und wenig Zeit (bis zu den Bundestagswahlen). Nach insgesamt 10 Monaten ist es vollbracht. Herausgekommen ist ein einstimmiger (!) Kompromiss. Der Kommissionsvorsitzende Dr. Peter Strohschneider übergab den Bericht. Und das mit dem nötigen Abstand zur agrarischen Fachwelt, denn als Germanistikprofessor und DFG-Präsident hatte Strohschneider gewiss keine lobbyistischen Eisen im Feuer. Von daher war seine Besetzung als Vorsitz der Kommission eine kluge Entscheidung.

Die Kommissionsempfehlungen

Das 170 Seiten starke Dokument hat es wirklich in sich. Die detaillierte Analyse bringt es auf den Punkt: So kann es nicht weitergehen. Weder ökonomisch noch ökologisch und sozial kann die deutsche Landwirtschaft – mit all ihren globalen Verbindungen – fortgesetzt werden wie bisher. Ihr Umbau ist unumgänglich. Dafür werden ein bisschen Digitalisierung hier und ein bisschen Labelling dort nicht ausreichen. Die Probleme sind groß – und die Landwirtschaft ist in ihrer jetzigen Form nicht zukunftsfähig. Zu den gesellschaftlichen heißen Eisen, mit denen sich der Bericht befasst, zählen unter anderem Fragen der Tierhaltung, Pestizide, Handelsbeziehungen, Arbeitsbedingungen, des Klimas und der Biodiversität. Eines wird in dem Werk mehr als deutlich: das Scheitern der bisherigen Landwirtschaftspolitik auf deutscher und europäischer Ebene – auch mit Implikationen für die Landwirtschaft im globalen Süden. Und dies lässt sich nicht einfach wegdiskutieren. In ihren Kernpunkten empfiehlt die Kommission folgerichtig:

  • den Ausstieg aus den flächenbezogenen Subventionen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) in den nächsten zwei Förderperioden;
  • den Konsum tierischer Produkte an den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) auszurichten; damit würde die aktuelle Verbrauchsmenge und damit korrelierend auch die Produktion halbiert werden;
  • bei dem Einsatz von Gentechnik das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit walten zu lassen (siehe auch den Blog-Beitrag: Sind neue gentechnische Züchtungsmethoden wirklich Hoffnungsträger? – MISEREOR-BLOG);
  • die Landwirtschaft an den Bedarfen in den Regionen zu orientieren und nicht am Weltmarkt;
  • steuerliche Abgaben auf Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt einzuführen;
  • eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Fleisch durchzusetzen bzw. eine „Tierwohlabgabe“ durchzusetzen;
  • die hohen negativen externen Kosten zu benennen und diese auch einzupreisen (siehe Die wahren Kosten unserer Lebensmittel| MISEREOR);
  • Tierhaltung (insbesondere von Rindern) am Pariser Klimaabkommen zu orientieren;
  • Handelsverträge mit starken Nachhaltigkeitsaspekten zu versehen (Mercosur).

Allerdings bleibt uns der Bericht auch etwas schuldig. Nämlich Erläuterungen dazu, wie ein gesünderes und nachhaltigeres Ernährungssystem durchgesetzt werden könnte.

Pflanzensamen Hand
„Vielleicht ist der gesellschaftliche Druck mittlerweile so groß, dass allen Beteiligten klar ist: ‚so geht es nicht weiter und es braucht politische Weichenstellungen für eine Landwirtschaft mit Zukunft.‘“ © Ivan Horvat / Pixabay

Ist nach der Kommission vor der Kommission?

Der Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft soll als Vorlage für die kommenden Koalitionsverhandlungen dienen. Er beinhaltet jedoch keine klaren politischen Handlungsanweisungen (im Gegensatz zur Kohlekommission). Im Herbst wird die Arbeit an einer Zukunftsvision nachhaltige Landwirtschaft wieder aufgenommen. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Und das ist auch seine Schwachstelle. All die Begeisterung über die Einsicht in die Notwendigkeit der Veränderung und über den Kompromiss der widerstreitenden Interessen darf nicht darüber hinwegtäuschen: Die Gefahr, dass auch dieser Prozess im Sande verläuft, ist real. Denn es hat bereits ähnliche Prozesse gegeben (z. B. das Grünbuch Landwirtschaft und der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz). Sie alle sind am Ende fast ergebnislos geblieben.

In ihren Kernpunkten empfiehlt die Kommission u.a. den Ausstieg aus den flächenbezogenen Subventionen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik in den nächsten zwei Förderperioden. © Tomas Hertogh / Unsplash

Landwirtschaft mit Zukunft

Vielleicht ist der Druck aus der Gesellschaft heraus, aus der EU-Politik und auf die Betriebe aber mittlerweile so groß, dass allen Beteiligten klar ist: „so geht es nicht weiter und es braucht politische Weichenstellungen für eine Landwirtschaft mit Zukunft“. Die nächste Regierung wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft umsetzt. Darauf warten sollten wir jedoch nicht. In diesem Sinne sollten wir dafür sorgen, dass die „Landwirtschaft mit Zukunft“ nicht doch noch versandet.


Weitere Informationen

Wie Vielfalt hilft den Hunger zu bekämpfen | MISEREOR | MISEREOR

Die wahren Kosten unserer Lebensmittel| MISEREOR

Geschrieben von:

Ansprechpartner Portrait

Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

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