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Der Wert eines guten Kaffees

Im Norden Perus bauen Kleinbäuerinnen und Kaffeebauern Kaffee, Kakao und Zuckerrohr an. Auf dem Weltmarkt bekommen sie für diese ehemaligen Luxusgüter nur wenig Geld. Der Faire Handel ermöglicht ihnen, angemessene Preise für ihre Ernte zu bekommen. MISEREOR-Geschäftsführer Thomas Antkowiak hat vor zwei Jahren in Piura einige Projekte des Fairen Handels besucht, die MISEREOR über die Kooperation mit der GEPA und die Zusammenarbeit mit der lokalen Organisation Progreso unterstützt.

Kaffeebohnen in Händen
© Florian Kopp | MISEREOR

Am Fenster zieht eine trockene, steppenartige Landschaft in Ockertönen vorbei. Knorrige Algarrobo-Bäume stehen schief im Wind, blattlose Büsche krallen sich in den Boden. Eine tote Gegend, könnte man meinen. Aber der Eindruck täuscht. Wenn es alle paar Jahre heftig regnet, verwandelt sich das karge Ökosystem in eine blühende Landschaft. „Das Leben ist da und wartet“, sagt Enrique Michaud, lokaler Berater von MISEREOR, der Geschäftsführer Thomas Antkowiak und den Experten für den Fairen Handel bei MISEREOR, Wilfried Wunden, auf ihrer Reise in den Norden begleitet hat.

Ein paar Hundert Höhenmeter aufwärts verwandelt sich die Vegetation auf einmal in üppiges Grün. In den kleinen Ortschaften Tailin, Chonta und San Cristobal trifft die Delegation auf Kleinbäuerinnen und -bauern, die in den Hügeln jenseits der trockenen Steppe Kaffee, Kakao und Zuckerrohr anbauen. Die Produkte werden später über die Kooperative Norandino mit dem GEPA-Siegel nach Deutschland verschifft und dort verkauft.

© Florian Kopp | MISEREOR

Thomas Antkowiak zeigte sich beeindruckt von dem Bemühen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, qualitativ gute Produkte zu liefern. „Die Menschen hier arbeiten unter harten Bedingungen, aber auf einem sehr professionellen Niveau“, sagte er bei seinem Besuch in der Verarbeitungsanlage von Zuckerrohr in Tailin. Es freue ihn sehr, dass mit der Professionalisierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft im Dorf Arbeit geschaffen und die Menschen für diese gerecht bezahlt werden. Norandino zahlt ihnen pro Sack Zuckerrohr knapp 200 Soles, etwa 55 Euro, für Kaffee 400 Soles, rund 100 Euro. Auf dem Weltmarkt bekämen die Produzenten für den Kaffee nur umgerechnet 80 Euro.

© Florian Kopp | MISEREOR

Auch die Verarbeitung der Produkte in der Anlage der Kooperative Norandino sei hochprofessionell, bemerkte Thomas Antkowiak erfreut. Aus der ehemals kleinen Kooperative ist ein florierendes Unternehmen geworden, deren 6500 Teilhaber als Kleinbäuerinnen und -bauern im gesamten Norden des Landes arbeiten. Jährlich produzieren sie hier 95.000 Tonnen Kaffee, von denen 70 Prozent in den Fairen Handel nach Europa gehen, und 2.200 Tonnen Vollrohrzucker, der ausschließlich ökologisch angebaut und fair gehandelt wird.

© Florian Kopp | MISEREOR

„Die Qualität der Produkte ist enorm gestiegen“, sagt Raul Tineo, Geschäftsführer der NGO Progreso, die seit Jahrzehnten mit den Bauern der Region zusammenarbeitet und sie in nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährungssicherung stärkt. Seitdem die Kleinbäuerinnen und -bauern ihre Ernte über die Kooperative als fair gehandelte Produkte ins Ausland verkaufen können, hat sich das Einkommen der Menschen deutlich erhöht. „In Tailin gibt es heute mehr Arbeit und weniger Alkoholprobleme, weil die Kleinbauern das Zuckerrohr nicht mehr zu Schnaps, sondern zu wertvollem Vollrohrzucker verarbeiten“, erzählt Tineo. Die Kinder arbeiteten nicht mehr auf dem Feld, sondern gingen zur Schule.

Allerdings werden die Bedingungen schwieriger, zu denen die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Zukunft arbeiten werden: der Klimawandel bringt Dürren, Wasserknappheit und zunehmende Plagen mit sich. Die Menschen versuchen, ihre Anbaubedingungen zu ändern, pflanzen Mischkulturen und ändern ihre Fruchtfolgen. „Angesichts dieser Herausforderungen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft stellt sich die Frage, welche Perspektiven die nächste Generation in diesem Sektor haben wird“, gibt Thomas Antkowiak zu bedenken. In der Tat ziehen viele junge Leute, die durch die besseren Einkommensverhältnisse ihrer Familien studieren können, in die Städte und bleiben dort. Nur wenige, wie Hugo Guerrero Alvero, kommen zurück. Der Sohn des Kleinbauern Segundo Guerrero Mondragon, Gründungsgesellschafter von Norandino, ist studierter Landwirt und experimentiert auf der familieneigenen Kaffeeplantage mit Agroforstanbau. „Wir brauchen mehr Felder, die wie Wälder sind, wenn wir auch in Zukunft guten Kaffee produzieren wollen“, sagt der junge Mann.

© Florian Kopp | MISEREOR

Und guter Kaffee ist nachgefragt. In die Verarbeitungsanlage von Norandino in Piura kommen heute Kaffeeröster aus aller Welt, die auf die Wünsche ihrer Kunden zugeschnittene Geschmacksrichtungen ausfindig machen und den direkten Kontakt zu den Produzenten suchen. Diese Konsumenten seien bereit, für ihre Ansprüche gut bezahlen, bemerkt José Reyes, Geschäftsführer von Norandino. „Langfristig muss es ohnehin eine Diskussion darüber geben, was ein fairer Preis ist und was wir im Norden für gute Produkte bereit sind zu zahlen“, sagt Thomas Antkowiak. Schlussendlich gehe es auch darum, Handelsbedingungen und das globale Wirtschaften insgesamt zu ändern. Angesichts der zunehmenden Qualität der Produkte, von Kaffee über Kakao bis Vollrohrzucker, sei es durchaus angemessen, von der „billig ist gut“ Devise wegzukommen. Inwieweit solche Veränderungen im derzeitigen Wirtschaftssystem möglich seien, bleibe abzusehen. „Aber ich bin zuversichtlich, dass das Bewusstsein in unserer Gesellschaft zunehmen wird, dass wir dauerhaft weder auf Kosten des Klimas noch auf Kosten anderer Menschen leben können“, sagt Thomas Antkowiak.

Über die Autorin: Eva Tempelmann lebt und arbeitet als freie Journalistin und Fotografin in Lima, Peru.


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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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