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„In Brasilien gibt es ein starkes Engagement gegen Pestizide“

Was haben Pestizide aus Deutschland mit Brasilien zu tun? Darüber sprach Fran Paula, Mitarbeiterin der brasilianischen Misereor-Partnerorganisation FASE, mit der deutschen Politik.

Fran Paula auf ihrer Deutschland-Reise mit der Lobbymission gegen Pestizide
© Fran Paula/ Misereor

Warum sind Sie gerade in Deutschland?

Fran Paula: Ich bin hier, um meine Erfahrungen aus Brasilien zu teilen und den politischen Entscheidungsträgern und Partnern in Deutschland einen direkten Einblick in die aktuelle Lage Brasiliens zu geben. Das Thema Pestizide und Ernährungssicherheit steht dabei im Fokus.

So habe ich unter anderem am World Organic Forum teilgenommen, bei dem ich mich mit Organisationen aus Afrika, Indien und anderen Ländern ausgetauscht habe. Dabei ging es vor allem darum, die Herausforderung zu bewältigen, in Brasilien gesunde Nahrungsmittel für die Menschen zu produzieren. Der ökologische Landbau wird durch den massiven Einsatz von Pestiziden gefährdet. Manchmal ist er sogar unmöglich, wenn die Felder der Kleinbauern direkt an die Plantagen mit Monokulturen grenzen.

Das noch größere Problem ist jedoch der Einsatz hochgefährlicher Pestizide und deren verheerenden Auswirkungen. FASE steht der Annahme, dass Pestizide bei korrekter Anwendung sicher und ungefährlich seien, kritisch gegenüber. Vor allem, weil die Stoffe auch als chemische Waffe gegen die Bevölkerung eingesetzt werden.

Warum ist dieses Thema gerade bei deinem Besuch in Deutschland so wichtig?

Fran Paula: Ein Großteil der Wirkstoffe giftiger Pestizide, die auf den brasilianischen Feldern landen, stammen aus Deutschland. Die beiden deutschen Firmen BAYER und BASF sind ganz vorne mit dabei. Deshalb habe ich hier noch einige Treffen mit Parlamentariern. Ich will sie für die Notlage der Menschen in Brasilien sensibilisieren. Es ist dringend notwendig, den Export von Pestiziden, die in der EU verboten oder nicht zugelassen sind, strenger zu regulieren.

Was erhoffst du dir von den Treffen?

Fran Paula: Mein Ziel ist es, dass Deutschland restriktivere Maßnahmen für den Export von Pestiziden, die in der EU verboten oder nicht mehr zugelassen sind, ergreift. Ich glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Deutschland diesen Schritt gehen muss, weil der Druck in diese Richtung immer größer wird.

Im politischen Kontext gibt es bereits eine gewisse Offenheit für die Umsetzung notwendiger Maßnahmen. Die Leiterin von FASE hat in der Vergangenheit bereits Gespräche mit den Grünen über das Thema Pestizide geführt. Ich treffe jetzt Vertreter der SPD und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Anfang dieses Jahres trat Lula da Silva seine Präsidentschaft an. Hat sich dadurch etwas in der Politik Brasiliens verändert?

Fran Paula: Während der Amtszeit des vorherigen Präsidenten, Bolsonaro, gab es große Rückschläge. Die Arbeitslosenrate stieg und Millionen von Menschen litten an Hunger. Bolsonaro hat seine Interessen hauptsächlich auf das Agrarbusiness und die Industrie konzentriert. Hochgefährliche Pestizide waren in seiner Amtszeit willkommene Helfer, um die großen Agrarkonzerne voranzubringen.

Die Präsidentschaft von Lula da Silva öffnet wieder Möglichkeiten für zivilgesellschaftliche Beteiligung. Dazu hat er die Hungerbekämpfung wieder zu einem Hauptanliegen der Regierung gemacht, was während der Bolsonaro-Zeit extrem vernachlässigt wurde.

Welche Maßnahmen trifft Brasilien denn gerade, um den Pestizideinsatz einzudämmen?

Fran Paula: Das nationale Programm für Agrarökologie wurde wieder aufgenommen. Das hatte die Bolsonaro-Regierung eingestellt. Ziel dieses Programms ist es, den Einsatz der Pestizide zu reduzieren und die Agrarökologie zu fördern.

Schwerpunkte davon sind die Bildung öffentlicher Organe zum Thema Pestizide, Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit und auch die Haftung der Unternehmen entlang der gesamten Produktionskette. Dabei geht es darum, dass jedes Unternehmen in der Produktionskette für die verheerenden Folgen verantwortlich gemacht werden kann. Denn die Agrarindustrie will die Verantwortung auf die Landarbeiter verlagern, die die Pestizide anwenden.

Gibt es Widerstand gegen diese Politik?

Fran Paula: Die Opposition in Brasilien ist sehr stark und hat große wirtschaftliche Interessen. Deshalb stößt die Pestizid-Politik auf einen großen Widerstand. Zum Beispiel wird gerade über ein Gesetz aus der Bolsonaro-Zeit abgestimmt, das gegen alle Bemühungen der Pestizid-Politik zu wider läuft. Mit dem Gesetzesentwurf sollen die Regelungen zum Pestizideinsatz weiter flexibilisiert werden.

Also eine Auseinandersetzung mit offenem Ausgang?

Fran Paula: Das Nationale Agrarökologieprogramm sieht die Schaffung des Nationalen Programms zur Reduzierung von Pestiziden vor und zeigt, dass der Staat die Verantwortung für diese Prozesse im Land übernehmen muss und kann. Das 2012 vorgeschlagene Programm umfasst 153 Initiativen zur schrittweisen Reduzierung von Pestiziden in Brasilien. Ich selbst war auch an der Ausarbeitung des Programms beteiligt, das noch auf seine Institutionalisierung und Umsetzung wartet. In Brasilien wird also bereits viel gegen die Einfuhr und Verwendung hochgiftiger Stoffe unternommen. Das ist einer der Hauptkämpfe der permanenten Kampagne gegen Pestizide und für das Leben, an der sich FASE seit 2011 mit mehr als 100 Organisationen und sozialen Bewegungen beteiligt. Das ist für mich sehr wichtig zu erzählen. Denn während meinem Besuch in Deutschland ist mir aufgefallen, dass die Menschen den Eindruck haben, dass in Brasilien nichts passiert. Dem ist aber absolut nicht so. In Brasilien gibt es seit Jahrzehnten ein starkes Engagement gegen Pestizide. Und wir lassen nicht locker.


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1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Ich bin immer wieder beeindruckt, wie diese Gesetze und Verordnungen mit einer Selbstverständlichkeit so umgesetzt werden, dass offensichtlich wird, welcher Irrsinn das ist! Das muss auf der Stelle aufhören! Großkonzerne und deren Lobby bestechen die Politik!!!! Korruption statt gesunder Menschenverstand – das muss aufhören!

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