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Italien-Afrika-Gipfel: Ein weiteres Indiz für neokoloniale Tendenzen in den europäisch-afrikanischen Beziehungen?

Dieser Tage fand im Rahmen der italienischen G7-Präsidentschaft der Italien-Afrika Gipfel in Rom statt. Staats- und Regierungschefs aus G7 und 20 afrikanischen Ländern kamen zusammen, um die künftige Zusammenarbeit in unterschiedlichen Politikfeldern zu erörtern. Der Gipfel reiht sich ein in die Afrika-Bemühungen vieler anderer Länder – auch Deutschland wurde kürzlich hier u.a. mit dem Compact with Africa aktiv.

Europäische und afrikanische Politiker*innen beim Italien-Afrika-Gipfel
© Italy Africa-Summit/Flickr

Leider folgt Italiens Initiative einem altbekannten Muster: Der Gipfel ist primär europäischen Eigeninteressen verpflichtet, anstatt die Bedürfnisse lokaler Gemeinden in afrikanischen Ländern zu adressieren. Machthaber werden hofiert während zivilgesellschaftliche Stimmen ausgeschlossen sind. Ein sogenannter „Mattei-Plan“, benannt nach dem Gründer des italienischen Öl- und Gaskonzerns ENI, dient als Grundlage der Verhandlungen.

Ehrgeizige Pläne – Zwiespalt zwischen Fortschritt und Klimazielen

So wird schnell klar, worum es wirklich geht: Afrika als Standort neuer Energieprojekte und anhaltender Ressourcenextraktion, primär zur Energieversorgung Europas, darunter auch mit Gas und Öl. Italien macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen, Europas Hub für Afrikas fossile und erneuerbare Energien zu werden. Natürlich widerspricht das anhaltende Interesse an Öl und Gas den Klimazielen der Europäischen Union, das Glasgow-Statement der COP26, indem sich europäische Länder dazu verpflichten kein Geld mehr in neue fossile Vorhaben zu stecken, sowie dem Ergebnis der letzten Klimakonferenz (COP 28), die deutlich das Ende der fossilen Energien einläutet. Auch widerspricht es den Forderungen großer Teile der afrikanischen Zivilgesellschaft, der Extraktion von fossilen Energien endlich ein Ende zu setzen. Denn von ihr profitieren in erster Linie Großkonzerne und lokale Machteliten, und oftmals gehen sie einher mit Menschenrechtsverletzungen (u.a. Landraub und Vertreibung).

Für eine gerechte Partnerschaft

Die von uns unterstützte Kampagne der afrikanischen Zivilgesellschaft „Don’t Gas Africa“ stellt sich daher mit einer starken Erklärung gegen den Mattei Plan. Um einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gerecht zu werden, müsse es

1) ein Ende der neo-kolonialen Interessenpolitik im Umgang mit afrikanischen Ländern geben,
2) die Einbeziehung der afrikanischen Zivilgesellschaft fester Teil der Partnerschaft werden, und
3) afrikanische Anliegen Priorität haben, sodass die Zusammenarbeit auch von lokalen Bevölkerungen getragen werden kann.

Darunter fallen u.a. die Schwerpunktsetzung auf saubere Stromversorgung und Klima-Anpassungsfinanzierung vor Ort, die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten, sowie der effektive Schutz von Landrechten, Menschenrechten und – damit einhergehend – lokaler Ernährungssouveränität. Europas Anstrengungen sollten zu einer echten wirtschafts- und soziopolitischen Transformation vor Ort beitragen. Das Bündnis kritisiert auch stark das Einknicken einiger afrikanischer Regierungsvertreter hinsichtlich der fossilen Machtkulisse des Gipfels.

Auch im Hinblick auf das Thema Migration verspricht Ministerpräsidentin Meloni einen partnerschaftlichen Ansatz, verfolgt aber in erster Linie europäische Interessen. So betrachtet sie die in Aussicht gestellte wirtschaftliche Zusammenarbeit vor allem als Hebel, um Migrationsbewegungen nach Europa durch „Hilfe vor Ort“ zu unterbinden. Damit setzt sie einen gefährlichen Trend fort, demnach entwicklungspolitische Mittel abhängig gemacht werden von der Bereitschaft anderer Staaten, in Fragen von Rückführungen und restriktiver Grenzkontrolle zu kooperieren. Auch besteht das Risiko, durch die finanzielle Unterstützung autokratischer Regime  neue Fluchtgründe zu schaffen – wie jüngst zu sehen bei dem maßgeblich von Meloni vorangetriebenen EU-Migrationsabkommen mit Tunesien.

Lehren aus dem Italen-Afrika-Gipfel

Der italienisch-afrikanische Gipfel ist sicherlich nicht die letzte Zusammenkunft ihrer Art gewesen – in Brüssel laufen dieser Tage beispielsweise die Vorbereitungen auf einen neuen AU-EU-Gipfel an. Dabei sollten Staats- und Regierungsvertretungen aus den Schwächen des Italien-Afrika Gipfels lernen und zivilgesellschaftliche Einbindung, nachhaltige Armutsbekämpfung und die Verwirklichung der Menschenrechte endlich zum obersten Ziel der Zusammenarbeit erklären.

Geschrieben von: , und

Madeleine Woerner

Madeleine Alisa Wörner ist Expertin für Energiepolitik bei Misereor.

Carsten Bockemühl, Experte für afrikapolitische Lobbyarbeit @Claudia Fahlbusch

Carsten Bockemühl ist Experte für afrikapolitische Lobbyarbeit bei Misereor.

Lucas Rasche - Experte für Flucht und Migration @Misereor

Lucas Rasche ist Experte für Flucht und Migration bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Liebe Leute,

    Ihr schreibt einen Riesenunsinn. Ich meine das aber durchaus mit Sympathie, Ihr wisst es vielleicht nicht besser und meint es nur gut. Politiker in Europa werden nun mal nicht gewählt, um die Interessen von Dorfgemeinden in Afrika zu vertreten, sondern um die Interessen ihrer Wähler, meinethalben Wähler:innen, zu vertreten. Das nennt man Demokratie. Da spielen natürlich auch ökonomische Interessen bestimmter Konzerne mit rein, das bestreitet ja keiner, wie leben in einer kapitalistischen Welt und da passiert auch sehr viel Schlechtes.

    Aber was bei Eurem Kommentar zum Ausdruck kommt (ich habe selbst einmal kurz für Miseror gearbeitet und stehe grundsätzlich voll hinter den Zielen), ist eine ideologische Ausrichtung, die eben mitnichten nicht nur nicht die demokratische Willensbildung in den „entwickelten“ Ländern verachtet, sondern auch die Interessen der Afrikaner:innern. Woher wisst Ihr das denn, dass die rohstoffreichen Länder ihre Ressourcen nicht effizient für die eigenen Völker einsetzen wollen? Das behauptet Ihr nur, weil es Eurem ideologischen Weltbild und dem ideologischen Trend vom vermeintlichen „Neokolonialismus“ entspricht, eine Schimäre und Erfindung, die von amerikanischen Unis kommt. Dadurch, dass Ihr sozusagen die Willensbildung der schwachen „Afrikaner:innen“ ausdrückt, weil die es selbst nicht können, aus Eurer Sicht, handelt Ihr selbst zutiefst neokolonial, und das in einer der einflussreichsten Eintwicklungsorganisationen Europas, die sich vielleicht einmal selbst hinterfragen sollte, wie und wo sie neokolonial agiert. Neokolonialismus, das seid Ihr!

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