„Princess“ steht in Glitzerschrift auf dem schwarzen T-Shirt der blassen jungen Frau, aber ihr Leben hat wahrlich nichts mit dem einer Prinzessin gemein. Sechs Stockwerke haben wir uns durch die Dunkelheit im Treppenhaus – die Beleuchtung ist schon lange defekt – über zerbröckelnde Stufen hochgetastet. Dann stehen wir in einer Wohnung von knapp 60 Quadratmetern. Drei Familien mit mehreren Kindern teilen sich die renovierungsbedürftigen Räume. Planen sind als Trennwände durch ein Zimmer gespannt, um den Familien ein bisschen Privatheit zu erlauben.
Ein Beitrag von Maria Haarmann

Man bat uns, wir sollten doch bitte kein Foto während unseres Besuches machen und veröffentlichen…Man könne nie wissen.
Die junge Frau, Mutter von drei Kindern, hat Arbeit als Küchenhilfe gefunden, ihr Mann ist froh, wenigstens für zwei Monate einen Aushilfsjob zu haben, bei dem er Kisten schleppt. Dennoch reicht beides nicht, um neben den Ausgaben für Essen, Strom, Heizung die Miete für eine eigene Wohnung aufzubringen. So sind die drei Flüchtlingsfamilien eben zusammengerückt und leben nun in drangvoller Enge.
Voller Heimweh erzählen sie von ihrem früheren Leben in Aleppo: Das Einkommen reichte aus zum Leben, Nahrungsmittel waren günstig, jede der drei Familien besaß ihre eigene Wohnung. Aber dann gingen in ihrer Straße drei Bomben hoch, es tauchten Flugblätter extremistischer Rebellen auf. Sie forderten christliche Frauen auf, sich ebenfalls islamisch zu kleiden und mit ihrer Familie zum Islam überzutreten, ansonsten würde ihre Wohnung auch ausgebombt. Nun fühlten sie sich als christliche Armenier ihres Lebens nicht mehr sicher. Und die Angst ist geblieben, sogar in Beirut.
Ein Lichtblick für die Flüchtlinge ist das Karagheuzian-Center. Es liegt inmitten im Beiruter Viertel Bourj Hammoud. In Bourj Hammoud leben viele Menschen mit geringem Einkommen, hier kann man als Flüchtling in einem zerfallenden Haus oder einem Souterrain noch einen Unterschlupf finden.
Auch das Karagheuzian-Center kann keine Wunder vollbringen. Es kann keine erschwingliche Wohnung oder einen gut bezahlten Arbeitsplatz herzaubern. Aber es bietet, von MISEREOR unterstützt, eine Anlaufstelle für die oft verzweifelten Menschen, Beratung in bürokratischen Angelegenheiten, Notfallhilfe und Gesundheitsdienste. Kindern und Jugendlichen wird mit Förderunterricht dabei geholfen, im libanesischen Schulwesen Fuß zu fassen. Auch finden sie hier einen Ort, an dem, anders als in der überfüllten Wohnung, in Ruhe Schularbeiten machen können.
„Wir haben alles verloren“, sagt die blasse junge Frau „aber wir haben im Karagheuzian-Center immer eine Tür, an die wir anklopfen können.“
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in Teil I: Verfolgt und gefoltert: Aus dem Flüchtlingslager Domiz im Nordirak
Teil II: Im Flüchtlingslager Domiz im Nordirak: Schicksale verbinden
Teil IV: Tolerant und sicher: Die Stadt Erbil in der Autonomen Region Kurdistan
Teil V: Die Angst bleibt – mit Sicherheit | Zu Besuch im Karagheuzian-Center in Beirut
Teil VI: Deir El Ahmar – Ein kleines Dorf mit einem großen Herz für Flüchtlinge aus Syrien