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Erfolgsstory MASIPAG: Wie Kleinbauern auf den Philippinen die Kontrolle über ihr Saatgut zurückerlangen

„Wir [MASIPAG] alarmieren philippinische Bauern und die Öffentlichkeit, weil die Konzernriesen Bayer und Monsanto eine enorme globale Fusion im Agrarsektor angekündigt haben.“

Hochertragssorten und der Einsatz starker Pestizide bringt Kleinbauern in die Abhängigkeit . © Achim Pohl /MISEREOR

Während Monsanto, der größte Hersteller von genmanipuliertem Saatgut, hier in Deutschland erst im Zusammenhang mit der geplanten Übernahme von Bayer so richtig in die breite Öffentlichkeit gelangt, ist er in den Philippinen bereits ein alter Bekannter. Das Netzwerk MASIPAG schlägt deshalb Alarm.

Monsanto auf den Philippinen: Von der diversifizierten Landwirtschaft zur Abhängigkeit von Agrarkonzernen

Im Zuge der Grünen Revolution waren die Philippinen in den 1960er Jahren das erste asiatische Land, das sich gegenüber der industriellen Landwirtschaft öffnete. So begann auch der Agrarkonzern Monsanto vor über 30 Jahren, seine Paketlösungen aus Hybrid- und gentechnisch verändertem Saatgut in Kombination mit dazu passenden Pestiziden, wie z.B. das Glyphosat „Roundup“, zu vertreiben. „Roundup Ready Corn“ nennt sich z.B. das von Monsanto hergestellte Mais-Saatgut, dem gentechnisch eine Resistenz gegen Glyphosat angezüchtet wurde, so dass Monsanto mit dem Saatgut gleich das Herbizid mitverkaufen kann.

Regierung, Agrarkonzerne und Forschungsinstitute, wie das internationale Reisforschungsinstitut IRRI, arbeiten Hand in Hand, sodass die meisten bäuerlichen Kleinbetriebe den Versprechungen folgend, zu Kunden der Agrarindustrie wurden, die auf Export ausgerichtet ist. Auf 700.000 ha wird heutzutage genmanipulierter Mais  angebaut – das entspricht ca. 1 Millionen Fußballfeldern. 30 % davon entstammt dem Saatgut von Monsanto. Die erhofften Erfolge blieben jedoch – außer für eine kleine Gruppe von finanzstärkeren Betrieben – aus. Stattdessen sind viele Bauernbetriebe in die Schuldenfalle geraten. Denn das Saatgut ist teuer und muss nach jeder Ernte laut Lizenzvertrag erneut bezahlt werden, auch wenn es aus der vorherigen Ernte stammt. Während die Produktionskosten weiter steigen, bleibt die Produktivität der Hochertragssorten hinter den Erwartungen zurück. Sind die Böden und die Bewässerung nicht gut, decken sich die Kosten somit nicht. Viele Kleinbauern auf den Philippinen >  haben ihre Unabhängigkeit und auch das Wissen darüber verloren, wie sie wieder Kontrolle über ihr Saatgut zurückerlangen können. Die Abhängigkeit vom Saatgut, den Düngemitteln und Pestiziden der Agrarkonzerne, Schulden, Landverlust und Abwanderung in die Städte sind die Folge. Ein weiterer Aspekt ist, dass der Einsatz von Glyphosat hoch umstritten ist. Während nach Angaben von MASIPAG auf den Philippinen pro Jahr ca. 5,6 Millionen Liter auf die Felder gesprüht werden, wird in Europa über ein Verbot verhandelt. Monsanto entzieht sich der Verantwortung für entsprechenden Schutz oder für die Aufklärung von Bauern.

Wieder zurück in die Unabhängigkeit! MISEREOR Partner MASIPAG zeigt, wie es gehen kann!

Agrarberaterin Dolores von MASIPAG im Training mit Kleinbauern. © Achim Pohl /MISEREOR

Aus der Notlage heraus haben sich die Bauern gemeinsam mit kritischen Wissenschaftlern und NGOs organisiert, um eine alternative Form der Landwirtschaft zu entwickeln, die ihnen ein menschenwürdiges Leben sichert. Im MASIPAG-Netzwerk setzen sie wieder auf die traditionellen Reissorten und entwickeln diese weiter, um eine Vielfalt an lokal optimal angepasstem Saatgut zu erhalten. Dies geschieht jedoch nicht in Laboren, sondern zusammen mit den Bauern auf 188 Versuchsfarmen, technisch unterstützt durch Wissenschaftler. Die Kontrolle hierüber haben die MASIPAG-Bauerngruppen selbst, und sie haben gemeinsam Kriterien entwickelt, anhand derer sie anderen Interessierten das Saatgut zur Verfügung stellen. So gewinnen sie das Knowhow über die Vermehrung der Saat zurück. Saatgut wird vom Handels- wieder zum Allgemeingut. Mittlerweile gehören 35.000 Bauern aus dem ganzen Land MASIPAG an und haben in den letzten 17 Jahren über 2.000 verschieden Reissorten gesammelt. Darunter sind viele Sorten, die gegen potentiell katastrophale Ereignisse gewappnet sind. Z.B. können zwölf Reissorten überleben, wenn sie für einige Tage überflutet werden, 18 Sorten kommen gut mit Dürre zurecht, 20 haben eine Toleranz gegen Salzwasser und 24 sind resistent gegen bestimmte Schädlinge. Durch einen vielfältigen ökologischen Anbau und verschiedene, genetisch breit aufgestellte Reissorten können die Bauern mit geringen Produktionskosten das Ausfallrisiko von Ernten vermindern und zur Einkommenssicherung beitragen.
Die von MISEREOR und MASIPAG 2007 in Auftrag gegebene Studie „Food Security and Farmer Empowerment“ > hat MASIPAG-Betriebe mit konventionellen Nachbarbetrieben verglichen und MASIPAG beeindruckende Ergebnisse bescheinigt. Aufgrund der hohen Produktionskosten und einseitiger Produktionsweise hatten alle konventionell wirtschaftenden Betriebe zum Jahresende Verlust gemacht, während die ökologisch wirtschaftenden MASIPAG-Betriebe signifikant besser dastehen. Zudem zeigen sich MASIPAG-Reissorten als äußerst produktiv. Es konnten im Bioanbau gleich hohe Erträge wie bei den IRRI-Hochertragssorten unter Einsatz von Pestiziden erzielt werden. MASIPAG ist es gelungen das vielzitierte Vorurteil zu entkräften, dass die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft mit Produktionseinbrüchen einhergeht.

Genmanipuliertes Saatgut – nein, danke!

MASIPAG setzt ein klares Zeichen gegen Gentechnik und Konzernmacht © MASIPAG

MASIPAG möchte die Lebensbedingungen der Kleinbauernbetriebe verbessern und engagiert sich deshalb nicht nur für eine krisensichere, einträgliche Landwirtschaft und das solidarische Miteinander der Mitglieder. Die Bauern selbst lenken durch eine basisdemokratische Struktur das Netzwerk MASIPAG und sind auch politisch sehr aktiv, um Einfluss auf die Rahmenbedingungen zu nehmen. Transnationale Unternehmen wie Monsanto versuchen weiterhin Regierung, Wissenschaftler, Bauern und Konsumenten zu beeinflussen, um gentechnisch verändertes Saatgut zu verbreiten. Als großes Netzwerk kann MASIPAG selbst Lobbyarbeit >  betreiben und sich für eine diversifizierte Landwirtschaft ohne Gentechnik und Pestizide einsetzen. Hierfür wird MASIPAG auch durch verschiedene lokale Regierungen und nationale Bauernorganisationen unterstützt. Durch Weiterbildungsangebote und Austauschplattformen für die Bauerngruppen und ihre Führungskräfte werden dezentral Kampagnen gestartet. So wurde bereits in mehreren Städten ein Stopp von Feldversuchen neuer genmanipulierter Pflanzen, wie Bt-Reis, Golden Rice >  und Bt-Auberginen, erwirkt. In Zentralmindanao zum Beispiel erreichte MASIPAG durch breitenwirksame Kampagnen und sektorenübergreifende Allianzen, dass Kommunen selbst über die Einführung von genmanipuliertem Saatgut entscheiden können.

Zusammen mit nationalen und internationalen Gentechnik-kritischen Organisationen bildet Masipag zudem Netzwerke, um diesem Anliegen Gewicht zu verleihen. MASIPAG versucht hierbei vor allem auch auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Im Fokus stehen zurzeit genmanipulierte Auberginen und Golden Rice. Durch eine Petition zusammen mit ehemaligen Politikern, der Umweltorganisation GREENPEACE, Anwälten und Wissenschaftlern wurde 2012 erreicht, dass der Oberste Gerichtshof der Philippinen im sogenannten „Writ of Kalikasan“, ein philippinisches Rechtsmittel zum Schutz der Umwelt, ein Moratorium gegen Feldversuche von gentechnisch veränderten Auberginen erließ. Hierzu reichte auch MASIPAG Fallbeispiele ein. Weiterhin ist MASIPAG Mitglied des „STOP GOLDEN RICE!“- Netzwerkes > , in dem 16 NGOs aus fünf asiatischen Ländern vertreten sind mit dem Ziel gemeinsam effektiver gegen Feldversuche und Kommerzialisierung von Golden Rice vorzugehen.

Die Arbeit von MASIPAG zeigt, dass Bauern  auf den Philippinen eine ganz andere Landwirtschaft betreiben können und wollen als von internationalen Agrarkonzernen wie Monsanto durch die rigorose Vermarktung von „Roundup“ und Co propagiert wird. Die Agrarindustrie wird hier nicht gebraucht, im Gegenteil: Im Sinne der Ernährungssouveränität und Solidarität mit den Konsumenten müssen die Bauern viel Energie aufwenden, um sich nicht nur mit angepasstem Saatgut gegen den Klimawandel zu wappnen, sondern auch noch gegen die Gewinninteressen der Konzerne zu wehren.

Ein Beitrag von Ole Joerss unter Mitwirkung von Alessa Heuser, Anja Mertineit und Sarah Schneider


MISEREOR zur Fusion von Bayer und Monsanto

Es ist die größte Übernahme, die ein deutscher Konzern je getätigt hat: Im September 2016 kündigte das Agrochemie-Unternehmen Bayer an, den US-Saatgut- und Pestizidhersteller Monsanto zu übernehmen. „BaySanto“ würde damit zum größten Anbieter für Saatgut und Pestizide weltweit – mit enormem Einfluss auf unsere Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt. Bäuerinnen und Bauern weltweit brauchen deshalb nicht nur die Unterstützung durch die Politik, sondern auch durch Verbraucherinnen und Verbraucher – informieren Sie
sich und zeigen Sie Ihre Solidarität!

Unter www.saat-fuer-vielfalt.de informieren wir über die Folgen der wachsenden Konzernmacht für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wie in Paraguay und stellen Alternativen für unsere Welternährung vor, die ohne Chemie und Gentechnik funktionieren und uns alle satt machen können.

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Geschrieben von:

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Das finde ich prima! Nun müssen wir solche guten Konzepte nur noch auf unsere Bedingungen in Europa umstellen und die Landwirte überzeugen, es auch zu versuchen, erste Ansätze gibt‘s ja schon!

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    Tolle Arbeit, die Ihr hier leistet.

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    Wichtige Arbeit. Dran bleiben! Die Kleinbauern ernähren die Welt – wenn man sie denn lässt…

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