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Kolumbien: Kohle-Tagebau macht Nachbarn krank

Sindy Paola Bouriyu zückt ihr Handy. Diese Szenerie muss sie filmen. Erinnert doch vieles an die Situation vor ihrer Haustür im fernen Kolumbien. Dort wird im Tagebaubetrieb Steinkohle gefördert, hier schaufeln gigantische Bagger im Tagebau Braunkohle aus der Erde.

Sindy Bouriyu ist Vertreterin der indigenen Gemeinde Provincial Wayuú, die unmittelbar an den größten Steinkohle-Tagebau Lateinamerikas grenzt. Foto: Schröder/MISEREOR

Nach zahlreichen Gesprächen und Vorträgen quer durch Deutschland ist Sindy als Vertreterin der indigenen Gemeinde Provincial Wayuú gemeinsam mit der Anwältin Yessica Hoyos von der kolumbianischen MISEREOR-Partnerorganisation CAJAR (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo) in den Hambacher Forst gekommen, um bei einem Waldspaziergang mit dem Naturführer Michael Zobel über die Situation am größten Steinkohle-Tagebau Lateinamerikas zu sprechen – in El Cerrejón im Norden von Kolumbien. Von dem wohnt Sindy nur 300 Meter entfernt.

Billig-Import für deutsche Verbraucher

Mehrere hundert Menschen gehen an diesem Morgen mit Zobel durch den noch verbliebenen Rest des Hambacher Forstes, der dem Tagebau Hambach weichen soll, und um deren Erhalt so viele Kohle-Gegner mit Demonstrationszügen, Aktionen und Protest-Camps seit Jahren kämpfen. Und auch wenn das Gebiet um Hambach zwischen den Städten Düren und Kerpen nicht wirklich vergleichbar ist mit dem genannten Kohle-Standort in Kolumbien, so gibt es neben manchen Ähnlichkeiten wie der Umsiedlung von Menschen für die Kohle-Verstromung vor allem eine sehr wichtige Querverbindung zwischen dem Tagebauloch in Sindys Nachbarschaft und der Energie-Erzeugung in Deutschland. Denn während hierzulande Ende dieses Jahres die letzten beiden Steinkohlezechen im Ruhrgebiet ihren Betrieb einstellen, beziehen deutsche Energieversorger weiter kostengünstige Import-Steinkohle, die für die Produktion unseres Stroms verfeuert wird. Kohle, die in großen Mengen aus Kolumbien stammt. Aber auch aus Südafrika oder Russland.

Auch an diesem Morgen sind mehrere hundert Menschen zum Waldspaziergang gekommen, um für den Erhalt des verbliebenen Hambacher Forstes zu kämpfen. Foto: Schröder/MISEREOR

Schwere Atemwegsprobleme

Dass mit dieser Art der Kohle-Nutzung schwerwiegende Nachteile, ja massive Menschenrechtsverletzungen unter anderem in Kolumbien verbunden sind, wissen in Deutschland nicht viele Menschen. Erste Informationen hierzu liefert Sindy im Hambacher Forst: Die 26-Jährige berichtet von ihrem sechsjährigen Sohn Santiago David, der durch die extreme Feinstaubentwicklung und andere Schadstoffbelastungen am Tagebau so schwere Atemwegsprobleme bekam, dass er aktuell an einem anderen Ort leben muss, um seine Gesundheit nicht weiter zu gefährden. Er ist nicht der einzige in seinem Dorf, die durch die Umweltbelastungen aus dem Tagebau  ernsthaft erkrankt ist.

Sindy Paola Bouriyu und Yessica Hoyos vom MISEREOR-Partner CAJAR berichten über Menschenrechtsverletzungen und Wasserknappheit durch den Kohleabbau in ihrer Heimat Kolumbien. Foto: Schröder/MISEREOR

Menschenrechtsanwältin Yessica Hoyos ergänzt, der Tagebaubetreiber verbrauche so viel Wasser, dass selbiges für die Anrainer knapp werde, etwa durch eine massive Absenkung des Grundwassers.  Zudem seien die verbliebenen Trinkwasser-Ressourcen durch die Kohleförderung stark verschmutzt. Das gesamte Öko-System der betroffenen Region gerate aus dem Gleichgewicht. „Der Boden ist von den Schadstoffen so belastet, dass die Menschen auf ihren Feldern nichts mehr für den Eigenbedarf säen und pflanzen können, sondern ihr Obst und Gemüse teuer einkaufen müssen.“ Angehörige indigener Gemeinschaften hätten in Kolumbien aber das Recht darauf, in ihren angestammten Territorien zu leben. „Und es ist für sie sehr wichtig, da zu bleiben, wo ihre Ahnen beerdigt wurden.“ Dieses Recht sei vom Verfassungsgericht des Landes bestätigt worden, nur leider werde dieses Urteil nicht umgesetzt, beklagt die 34-jährige Juristin.

„Reaktionen inakzeptabel“

Armin Paasch, Referent für den Themenbereich „Wirtschaft und Menschenrechte“ bei MISEREOR, prangert die Verletzung der Rechte auf Wasser, Nahrung, Gesundheit und Selbstbestimmung durch die Tagebaubetreiber in Kolumbien an.

Und er fordert von den deutschen Energieversorgungs-Konzernen, dass sie nur von Standorten Kohle beziehen, an denen keine Menschenrechte verletzt werden. Das deutsche Unternehmen Steag habe aber erklärt, ihm seien keine derartigen Verstöße bekannt. Und von RWE sei zu hören gewesen, man beziehe die Kohle über den Börsenhandel und könne daher Herkunft und Umstände der Förderung nicht nachvollziehen. „Diese Reaktionen sind absolut inakzeptabel“, betont Paasch. „Die Einhaltung der Menschenrechte sind keine freiwillige Angelegenheit deutscher Unternehmen. Diese müssen vielmehr dazu verpflichtet werden, bei all ihren Aktivitäten im Ausland für die Beachtung dieser Rechte einzustehen.“ 

„Wir brauchen auch die Unterstützung der deutschen Anti-Kohle-Bewegung, um die Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern zu beenden,“ erklärt Armin Paasch im Hambacher Forst. Foto: Schröder/MISEREOR

MISEREOR setze sich für einen globalen Stopp der Kohleförderung ein und fordere überdies, dass keine deutsche Kohlekraftwerks-Technologie mehr ins Ausland exportiert wird.


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Ralph Allgaier ist Pressesprecher bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

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    Es ist bewundernswert und wichtig, dass Ihr, Sindy und Yessica, beim Waldspaziergang dabei wart. Es muss viel mehr Öffentlichkeit dafür hergestellt werden, dass deutsche Konzerne fossile Energie von so weit her importieren (zusätzlicher CO2 Fußabdruck, was für ein Irrsinn) und welches Leid dahinter steckt.
    Und doch macht es wieder Hoffnung, zu sehen, wie viele meist junge Leute sich weltweit für den Ausstieg aus fossilen Energien einsetzen. Auch beim Besuch von Saúl Luciano in Köln-Mülheim, dem peruanischen Bergführer, welcher zusammen mit German Watch eine „Klimaklage“ gegen RWE gestartet hat, waren sehr viele junge Leute sowohl aus Lateinamerika als auch von hier mit bewundernswert starkem Engagement.

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