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Die stillen Katastrophen Afrikas

Sudan, Kenia, Kongo: Dürren, Überschwemmungen, Hunger und gewaltsame Konflikte finden in der Öffentlichkeit wenig Beachtung.

Frau sitzt mit ihren Kindern im Zelt eines Flüchtlingslagers
Menschen in einem Lager für Binnenvertriebene, am Rande von Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Dort leben aktuell Zehntausende Kriegsvertriebene. © Picture Alliance (Xinhua/Wang Guansen)

Der Osten Afrikas ist gebeutelt von Krisen, die nur selten Schlagzeilen machen: Überschwemmungen und langanhaltende Dürren haben Ernten vernichtet und verstärken den Hunger. Gewaltsame Konflikte bringen Menschen in eine bedrohliche Lage und fordern zahlreiche Opfer. Gleichzeitig hat die Corona-Pandemie mit unterbrochenen Lieferketten langanhaltende Folgen für die wirtschaftliche Situation vieler Länder gebracht. Weil längst nicht jeder Krisenherd zu einem größeren Thema in der Weltöffentlichkeit wird, mangelt es oft an dringend notwendiger Unterstützung und Solidarität anderer Staaten. Das kann gravierende Folgen für die Betroffenen haben, denn die meisten humanitären Krisen können ohne Unterstützung von außen kaum bewältigt werden.

Nicht nur die Katastrophen in Afrika sind wenig bekannt. Auch das Afghanistan-Erdbeben im Oktober 2023 fand medial kaum Beachtung, weil andere schlechte Nachrichten als noch relevanter eingestuft wurden. Einige Krisen bleiben auch deshalb weitgehend im Windschatten der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil sie sich über Jahre hinweg so schleichend entwickeln, dass sie nicht mehr als neues, dramatisches Ereignis wahrgenommen werden. Afrika kommt nur selten im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit an. Dass dort derzeit einige der größten Krisen der Welt stattfinden, nehmen daher nur wenige Menschen wahr. Beispiele hierfür sind aktuell die drohenden Hungersnöte im Südsudan und Somalia, die schwere Dürre in Simbabwe oder die Cholera-Epidemie in Sambia. Nicht zu vergessen die gewaltsamen Konflikte im Ostkongo.

Misereor setzt auf langfristige Projektarbeit mit Partnern vor Ort, um Menschen bei der Entwicklung von nachhaltigen Lebensperspektiven zu unterstützen. Im Katastrophenfall steht zwar die Not-Versorgung mit Hilfsgütern im Vordergrund, doch gleichzeitig werden langfristige Maßnahmen eingeleitet mit dem Ziel, den Begünstigten schnellstmöglich ein Leben ohne Unterstützung von außen zu ermöglichen. Dabei sollen die Betroffenen weitgehend eigenständig agieren können, denn Partnerorganisationen vor Ort und die von der Misereor-Förderung profitierenden Menschen können in der Regel am besten selbst entscheiden und beurteilen, wie sie eine Krisensituation bewältigen. Misereor unterstützt und stärkt Menschen darin, ihre Potenziale und ihr Wissen zu nutzen und aus eigener Kraft Problemlagen zu überwinden, um auf Dauer selbstständig und unabhängig ein würdevolles Leben führen zu können.

Der anhaltende Bürgerkrieg im Sudan

Der seit einem Jahr andauernde Bürgerkrieg im Sudan führt derzeit zu einer der größten humanitären Katastrophen weltweit. Die Kämpfe zwischen dem Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan und dem Führer der Miliz RSF, Mohamed Hamdan Daglo, schockieren: Zerstörung, Gewalt und Vertreibung stürzen das Land ins Chaos. Die Vereinten Nationen berichteten zuletzt von neun Millionen Vertriebenen und Geflüchteten. Geschätzt 18 Millionen Menschen fehlt es an ausreichender Nahrung, fünf Millionen Sudanesen sind von Hunger bedroht. Der eskalierende Machtkampf von staatlicher Armee und Miliz hat überdies dramatische Auswirkungen für angrenzende Länder. Die Eskalation der Gewalt zwingt viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und in Nachbarländern wie dem Tschad oder Ägypten Schutz zu suchen. Vor allem im Südsudan kommen viele Vertriebene unter, obwohl das Land selbst massive Probleme hat. Die Menschen im Südsudan kämpfen seit Jahren mit den Auswirkungen von Konflikten, die oft politische Ursprünge haben. Und sie kämpfen mit den Folgen wie physische Unsicherheit, Nahrungsmangel und fehlendem Zugang zu sozialen Diensten. Aufgrund fehlender Waren aus dem Sudan kommt es seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges zu starken Preissteigerungen und einer Hyper-Inflation. Die Versorgung der Menschen, die vor den Kämpfen im Sudan geflohen sind, erhöht das Krisen-Potential auch für den Südsudan.

Misereor-Partnerorganisationen im Südsudan, insbesondere in den nördlichen Landesteilen, helfen den Menschen bei der Ankunft in sogenannten Transitcamps. Sie versorgen sie mit Nahrungsmitteln, bis diese weiterreisen können und statten sie mit landwirtschaftlichen Geräten aus, damit sie selbst Nahrungsmittel anbauen können. Die Partner fürchten, dass die brutalen Kämpfe im Sudan auch die Lage im Südsudan verschärfen, und zu neuen Konflikten führen könnten. Sie haben Schwierigkeiten, der großen Not innerhalb wie außerhalb von Flüchtlings-Camps zu begegnen.

In Malakal im Südsudan werden Geflüchtete aus dem Sudan mit Lebensmitteln versorgt. © Caritas Malakal

Wiederholte Überschwemmungen in Kenia

In Kenia kommt es im Rahmen des El-Niño-Wetterphänomens seit dem Frühjahr zu heftigen Regenfällen. Trotz regulärer Regenzeit von März bis Mai waren die Niederschläge stärker als üblich. Kenianische Medien sprechen von der schlimmsten Katastrophe seit den 1960er Jahren. Infolgedessen wurden Regionen des Landes von einer gefährlichen Kombination aus Sturzfluten, Flussüberschwemmungen und Erdrutschen heimgesucht. Hinzukommen die noch spürbaren Folgen der Dürre in den Jahren 2020 bis 2022, die sich seither auf die Widerstandsfähigkeit der Menschen auswirkt. Viele haben in der Zeit Tiere verloren und konnten sich die Kosten für soziale Dienste wie Gesundheitseinrichtungen oder Schulbildung nicht leisten. Die starken und intensiven Regenfälle haben in 43 von 47 Bezirken Kenias zu schweren Notlagen geführt. So gab es durch Überschwemmungen 271 Tote und 162 Vermisste, wie aus einem aktuellen Bericht hervorgeht. Nun sieht sich die Bevölkerung mit einer enormen Zerstörung konfrontiert: Ernten, Häuser, Kleinbetriebe, Straßen, Brücken, Gesundheitseinrichtungen und Schulen sind beschädigt. Durch die starken Regenfälle wurden Wasserstellen zerstört, Wasserquellen kontaminiert und Latrinen überflutet. Gesundheits-Experten warnen nun vor Krankheiten, die über Wasser übertragbar sind. Über 50 Cholera-Fälle wurden bisher gemeldet, auch die Angst vor Malaria ist groß.

Misereor-Projektpartner vor Ort loten aus, an welchen Stellen Selbsthilfekapazitäten genutzt werden können. In verschiedenen Einheiten helfen Partnervertreter im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Menschen entlang von Flussufern und sumpfigen Gebieten für Gefahren durch Unwetter zu sensibilisieren.

Zivilisten im Kongo im Kreuzfeuer

Krisenherd Demokratische Republik Kongo: Kein Tag vergeht ohne Todesopfer. Seit Wochen kontrolliert die Miliz M23 die rohstoffreichen Gebiete im Osten des Landes. Die Miliz gehört zu den schlagkräftigsten Rebellengruppen im Kongo. In der Region Nord-Kivu liefern sich die Milizen heftige Kämpfe mit Regierungstruppen. Das kongolesische Militär hat den Vormarsch der Rebellen bisher nicht stoppen können. Leidtragende sind vor allem Zivilisten, die ins Kreuzfeuer geraten. Die Situation ist äußerst dramatisch. Den mehrfach vertriebenen Binnen-Flüchtlingen fehlt es an Schutz, genügend Nahrung und Trinkwasser sowie medizinischer Versorgung. Die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal. Die Bevölkerung ist jederzeit der Gefahr von Übergriffen durch Kriminelle und Angriffen der Rebellen schutzlos ausgeliefert. Die Verunsicherung und Angst sind groß, viele Menschen sind traumatisiert. Misereor-Projektpartner berichten, dass sich die Menschen von der Regierung in Kinshasa allein gelassen fühlen. Die M23 Miliz versucht aktuell die letzte Versorgungsroute der Stadt über den Kivusee zu unterbrechen, mit dem Ziel, die strategisch wichtige Stadt Minova im Südkivu unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Vereinten Nationen haben ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert, Beiträge für die humanitäre Hilfe im Kongo zu leisten. Bisher wurden dafür allerdings erst etwa 20 Prozent der notwendigen Gelder zusammengetragen.

Die Misereor-Projektpartner im Ostkongo sind im permanenten Krisenmodus und setzen sich unermüdlich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung ein. Doch andere internationale Organisationen ziehen aus Sicherheitsgründen auch Personal ab. Die Lage bleibt kritisch – und von der Weltöffentlichkeit weiter kaum bemerkt.

Dieser Artikel erschien zuerst im Straubinger Tagblatt am Samstag, den 1. Juni 2024.


Stille Katastrophe: Menschen im Sudan und Südsudan leiden aufgrund des Kriegs unter Hunger

Spenden für Menschen im Sudan und Südsudan

Die Hungersnot in der ganzen Region Ostafrika droht schlimmer zu werden. Die Misereor-Partnerorganisationen sind an der Seite der Menschen und versorgen sie mit lebenswichtigen Gütern.

Mit Ihrer Hilfe können die Menschen vor Ort mit lebenswichtigen Gütern versorgt werden. Helfen Sie jetzt mit Ihrer Spende!

Geschrieben von:

Portrait einer Mitarbeiterin

Charleen Kovac ist Presse-Volontärin bei Misereor.

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