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Fairer Kaffee aus Nordperu

Wie sieht Fairer Handel im Globalen Süden aus und was bewirkt er vor Ort? Das erklärt Heike Teufel, die 1997 bis 2004, erst als Freiwillige, später als Entwicklungshelferin des DED (Deutscher Entwicklungsdienst) im Kaffee-Fairhandels-Projekt Pidecafé (heute PROGRESO) in Nordperu gearbeitet hat. Das Projekt wurde und wird auch von MISEREOR  unterstützt. Sie begleitete dort den Aufbau einer Kaffeekooperative und den Auf- und Ausbau des Fairen Handels vor Ort.

Sie haben die Arbeit der Organisation Pidecafé, heute PROGRESO, jahrelang begleitet. Ist das Projekt erfolgreich?

Heike Teufel: Ja! Wir haben da in einem Zimmer angefangen. Heute ist alles riesengroß. Kooperativen aus ganz Nordperu haben sich dort zusammengeschlossen und verkaufen und exportieren ihren Kaffee gemeinsam ins Ausland. Um die 6000 Bauern sind heute beteiligt. Und es sind nicht mehr nur Kaffeebauern, sondern auch Kakao- und Rohrzucker-Bauern Teil der Kooperative. Der Faire Handel hat vor Ort viel bewegt und viele Türen geöffnet. Das wird in der deutschen Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen.

Was wird denn wahrgenommen, und welche Türen hat der Faire Handel geöffnet?

Teufel: Wir schauen natürlich viel auf den fairen Preis, schlicht und einfach, weil wir hier einfach mehr für fairen Kaffee bezahlen, aber es geht nicht um den reinen Geldtransfer. Man bezahlt den Leuten mehr, ja, man zahlt ihnen einen gerechteren Preis, aber man bewirkt noch sehr viel mehr vor Ort. Das hat was mit dem Fairen Handel an sich zu tun, aber auch mit den sozialpolitischen Strukturen, die er fördert und erfordert.

Ein Kaffeebauer steht zwischen Kaffeepflanzen
Eine Kaffeebauer der Kooperative PROGRESO in Nordperu. (Foto: Wunden/MISEREOR)

Und zwar?

Teufel: Die GEPA hat sich beispielsweise am Anfang bereiterklärt, einen halben Container Kaffee zu importieren. Das geht normalerweise gar nicht. Normalerweise muss man immer containerweise importieren. Wenn man so kleine Mengen anbietet und die aber nicht konstant anbieten kann, hat man keine Chance auf dem Kaffeemarkt, auch nicht im Fairen Handel übrigens. Die Importeure sind einfach auf langjährige Partnerschaften angewiesen. Daraus ergibt sich aber auch eine Planungssicherheit und auch Preissicherheit für die Bauern, weil die Verträge vor der Ernte geschlossen werden. Wenn die Bauern die Sicherheit haben, einen bestimmten Betrag zu verdienen, können sie auch andere Dinge ausprobieren, die sonst vielleicht zu riskant wären, weil nicht sicher ist, dass sie funktionieren: den Anbau zu diversifizieren und damit eine nachhaltige Produktion und Ernährungssicherung zu stärken, was ja auch wichtige Themen sind bei MISEREOR. Entwicklungszusammenarbeit und Fairer Handel gehen da Hand in Hand.

Wobei der Anbau in der Region sowieso schon recht diversifiziert war, weil sich die Bauern dort gar keinen Dünger und Pestizide leisten konnten. Deswegen ging es am Anfang mehr um Bodenaufbau, Bodenfruchtbarkeit und Erosionsschutz. Und außerdem um Produktverbesserung. Die GEPA war die allererste Firma, die dort den Kaffee abgenommen hat. Aber das war damals noch der klassische, in der Sonne getrocknete Kaffee. Der wird in Peru viel getrunken, ist aber für den europäischen oder US-amerikanischen Markt völlig ungeeignet, weil er einfach sehr anders schmeckt, und wenn man den Kaffee nicht richtig trocknet nach der Ernte, kann sich die Qualität nochmal erheblich verschlechtern, obwohl es eigentlich guter Kaffee ist. Also wurde in Produktverbesserung investiert.

Ein Kaffeebauer hält Kaffeekirschen in seiner Hand.
Ein Kaffeebauer des Kooperativenverbandes PROGRESO präsentiert frisch geerntete Kaffeebohnen. (Foto: Wunden/MISEREOR)

Gibt es noch andere sozialpolitische Effekte des Fairen Handels?

Teufel: Um überhaupt Kaffee exportieren zu können, müssen sich die Bauern in Kooperativen zusammenschließen, weil das von Ihnen Erwirtschaftete mengenmäßig sonst einfach zu wenig ist, um erfolgreich zu sein. Solche Kooperativen ermöglichen dann aber auch, Zwischenhändler zu umgehen, die den Kaffee für die wenigen großen Player auf dem Weltmarkt aufkaufen. Und wenn man die ignorieren kann, verdient man schon mehr, weil eben kein Geld auf dieser Handelsstufe verloren geht. Außerdem steigt das Preisniveau insgesamt, da wo Kooperativen stark sind, weil die Zwischenhändler sich dann an dem meist besseren Kooperativen-Preis orientieren müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Kooperativen sind auch soziale Netzwerke, die soziale Strukturen bieten können, die vom Staat nicht verfügbar gemacht werden, zum Beispiel bei Krankheit. Bei der Kooperative können die Mitglieder im Notfall einen Kredit bekommen, zu dem sie sonst keinen Zugang hätten.

Was man auch nicht unterschätzen darf, ist der politische Einfluss, der durch die Kooperativen aufgebaut werden kann. Wenn sich 6000 Bauern zusammenschließen und bei Regionalwahlen einen bestimmten Kongressabgeordneten wählen, der ihnen wohlgesonnen ist, dann haben sie schon einen relativ hohen Einfluss auf die Agrarpolitik in ihrer Region. Auf höheren Ebenen können sie dann natürlich auch noch mit anderen Kooperativen gemeinsam Lobbyarbeit betreiben.

Eine Frau und ein Mann bearbeiten Zuckerrohr.
Zuckerrohr wird bei PROGRESO zur Weiterverarbeitung vorbereitet. (Foto: Wunden/MISEREOR)

Der Faire Handel hat vor Ort offensichtlich schon viel bewegt. Was bleibt noch zu tun?

Teufel: Eine wichtige Sache wäre sicherlich, dass die Verarbeitung von Rohstoffen vor Ort passiert und diese nicht sofort exportiert werden, damit mehr Wertschöpfung in den Ländern selber stattfindet. Das wird auch teilweise schon gemacht, aber man würde den fairen Preis ein bisschen überschätzen, wenn man meint, man könnte solche Projekte komplett darüber finanzieren. Da ist dann wichtig, dass Joint Ventures vereinbart werden und Handelspartner das gewisse Risiko, was damit verbunden ist, eingehen.

Gut wäre es auch, wenn die Produkte stärker in den lokalen Markt gingen, in diesem Fall also in den peruanischen oder generell in den südamerikanischen Markt. Auch in Chile und Argentinien wird Kaffee getrunken, aber es wird keiner angebaut. Es muss ja nicht alles rein auf überseeischen Export abzielen.

Was wünschen Sie sich für den Fairen Handel?

Teufel: Fairer Handel ist immer visionär gewesen. Was vor 30 Jahren im Fairen Handel gefordert wurde, ist jetzt in der breiteren Gesellschaft angekommen. Man hat schon lange gesehen, dass Klimaschutz bzw. resistente Landwirtschaft wichtig sind und stark die ökologische und soziale Frage zusammengedacht werden müssen. Und ich denke, für den Fairen Handel heute wäre es wichtig, genauso visionär und mutig zu bleiben, wie er von Anfang auch war. Sprich, sich jetzt zu überlegen, wo wollen wir in 30 Jahren stehen, und was heißt sozial-ökologischer Wandel konkret.

Das Interview führte Johanna Deckers

Dieses Interview erscheint in einer Reihe, in der MISEREOR zum 50-jährigen Jubiläum des Fairen Handels in Deutschland die Entstehung und Entwicklung des Fairen Handels beleuchtet. Dazu hat MISEREOR mit verschiedenen Akteuren gesprochen, die bei oder in Kooperation mit MISEREOR daran beteiligt waren.


Von Anfang an fair!

Hintergrundinformationen, Materialien und Aktionen zum Jubiläum finden Sie auf unserer Themenseite zum Fairen Handel.


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